Turbo-Tempo statt Datenstau

Zu Spitzenzeiten glühen im Internet die Drähte. Damit Videos nicht im Datenstau stecken bleiben, setzen Fernsehsender und Inhalteanbieter zunehmend auf Content Delivery Networks (CDN), die flexibel ihre Kapazitäten steuern können. Neben dem Transport von extrem großen Datenpaketen bieten die CDN inzwischen auch die Anbindung an Soziale Netzwerke und andere Zusatzleistungen an. Ein wichtiges Thema auch auf der IBC war der wachsende Bedarf an Bandbreite durch die Zunahme von 4K-Streams.

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Turbo-Tempo statt Datenstau

Zeit ist Geld, auch im Broadcasting-Business: Der Aufbau einer sozialen Kommunikationsplattform im Internet nimmt in der Regel Wochen oder gar Monate in Anspruch. Der Fernsehsender RTL2 benötigte für diesen IT-Kraftakt hingegen nur wenige Tage und verringerte den Investitionsaufwand entsprechend. Die Erweiterung der TV-Serien „Berlin – Tag & Nacht“ und „Köln 50667“ durch mobile Apps und andere digitale Dienste basiert nämlich nicht auf einem eigenen Rechenzentrum, sondern auf den Amazon Web Services (AWS). Der Clou: Anstatt immer die Maximalkapazität an Servern bereithalten zu müssen, kann RTL2 flexibel die benötigten Leistungen abrufen und somit Kosten sparen. Das ist vor allem bei TV-Sendern wichtig, deren Peak-Zeiten im Social Web während der Ausstrahlung der Sendungen liegen.

„Anbieter von Unterhaltungsformaten und Fernsehsender gehören zu den Pionieren in der Cloud und haben als erste entdeckt, welche Vorteile mit dieser Architektur einhergehen“, erläutert Glyn Smith, M&E Business Development Manager bei AWS, der mit seinen Präsentationen auch auf der diesjährigen IBC in Amsterdam auf großes Interesse stieß. Neben RTL2 zählen Canal+ oder Channel 4 zu den AWS-Kunden, die ihre Inhalte auf verschiedensten Wegen teilen, administrieren und schützen. Die zentrale Benutzerverwaltung etwa kann auch für Online-Auftritte oder HbbTV-Services verwendet werden. Insgesamt stellt Amazon über 300 verschiedene Anwendungen und Lösungen weltweit zur Verfügung. In zehn Regionen hat das US-Unternehmen sogenannte Availability Zones eingeführt. „Dabei werden wir es sicher nicht belassen“, kündigt AWS-Manager Smith gegenüber MEDIEN BULLETIN an. Die globale Expansion des Amazon-Dienstes wird vor allem durch den rasant wachsenden Datenverkehr im weltweiten Internet angetrieben. Allein die US-amerikanischen Konsumenten verbringen pro Woche 60 Stunden damit, Inhalte über ihre durchschnittlich vier verschiedenen Endgeräte abzurufen, so das Marktforschungsinstitut Nielsen. Das Gesamtaufkommen wird inzwischen in Petabyte pro Monat gemessen. Entscheidend ist dabei, auch unter Höchstlast effizient und zuverlässig weltweit Daten zu transportieren. Die Content Delivery Networks (CDN) hatten jüngst zum Beispiel einen Extremeinsatz, als unter anderem das Schottland-Referendum, eine Rede des US-Präsidenten und diverse Software-Veröffentlichungen für eine erhebliche Steigerung des Datenverkehrs weltweit sorgten. Allein der CDN-Anbieter Limelight transportierte bei dieser Gelegenheit für einen Großkunden mehr als zehn Petabyte Daten in weniger als 24 Stunden. Zum Vergleich: Der Inhalt der U.S. Library of Congress umfasst drei Petabyte.

„Da wir unsere Netzwerke, Prozesse und Abläufe beständig optimieren, hatten wir mit diesem Volumen kein Problem“, betont Limelight-CEO Bob Lento. Auf der IBC präsentierte das Unternehmen etwa die vielseitige Plattform Orchestrate. Mit der Lösung können zum Beispiel Videos einmalig in die Cloud geladen und dort automatisch für die verschiedensten Formate umgewandelt werden. Inklusive Digital Rights Management (DRM) und Kompression. Das Multi-device Media Delivery (MMD) von Limelight bietet sich für Live-Inhalte ebenso an wie für Video on Demand. Durch erweiterte Targeting-Möglichkeiten und Werbeeinblendungen entstehen weitere Chancen zur Refinanzierung der Angebote, wirbt Limelight.

Parallel zur Auslieferung von Inhalten an die Endkunden betreiben die Content Delivery Networks umfangreiche Services im Bereich B2B. Die Amazon Web Services etwa zählen zahlreiche Filmstudios und TV-Produzenten zur Kundschaft. „Das Special Effects Studio Atomic Fiction zum Beispiel hat AWS bei der Produktion des Oscar-nominierten Spielfilms Flight eingesetzt“, verrät M&E Business Development Manager Glyn Smith. Für die Übertragung der Daten in die AWS-Cloud kann das herkömmliche Internet Protocol mit FTP oder das exklusive AWS Direct Connect genutzt werden. Die unterstützten Transferprotokolle umfassen etwa Aspera, Signiant oder Attunity Cloudbeam. Das Produkt AWS Import/Export richtet sich vor allem an Kunden mit außergewöhnlich hohem Datenvolumen, die solche Mengen auf mobile Speichermedien an Amazon schicken können. Für Großkunden wie das Online-Portal Netflix speichert Amazon mehr als ein Petabyte Videos, wobei jeder Film in mehr als 50 verschiedene Fassungen encodiert wird.

In der Regel setzen Unternehmen mit außergewöhnlich hohem Kapazitätsbedarf nicht nur auf ein CDN. Die Netflix-Filme beispielsweise werden von Amazon unter anderem an Akamai, Limelight und Level 3 weiter gegeben, die ihrerseits den Datenstrom an lokale Internet Service Provider (ISP) verteilen. Diese sinnvolle Kooperation wird in Zeiten des hoch aufgelösten Bewegtbilds immer wichtiger, denn mit Ultra High Definition Television (Ultra HDTV) explodiert die Datenmenge förmlich. Akamai listet deshalb in seinem neuen State-of-the-Internet-Bericht für das zweite Quartal wieder Länder auf, die die Breitbandvoraussetzungen für die Nutzung von 4k-Streams erfüllen. Im Allgemeinen ist dafür eine Bandbreite von zehn bis 20 Mbit/s nötig. Das Ergebnis: Die Schweiz, die Niederlande und Schweden bilden die Top-Drei in Europa. Bei ihnen wiesen jeweils mehr als ein Viertel aller Verbindungen die geforderten Geschwindigkeiten auf.

Der Spitzenreiter Schweiz erreichte dabei sogar eine 4k-Readiness-Quote von 33 Prozent, während in Deutschland lediglich elf Prozent aller Verbindungen die nötige Bandbreite erzielten. Allerdings reicht die durchschnittliche Verbindungsgeschwindigkeit von 8,9 Mbit/s hierzulande für herkömmliche Broadcast-Qualität wie sie zum Beispiel der Filmdienst Netzkino benötigt. Als Akamai-Kunde profitiert der deutsche Online-Anbieter von einem weltumspannenden Netzwerk mit 150.000 Servern, progressiven Mediendownloads und Adaptivem Bitrate Streaming für eine Vielzahl von Player-Plattformen. Die SecureHD-Technologie von Akamai bietet für die Sicherung von Inhalten und Zugriffsbeschränkungen auch mehrere Schutzstufen zur Anpassung an die Anforderungen der Inhalte und Zielgruppen. Zudem unterstützt die Sicherheitsarchitektur Lösungen verschiedener DRM-Anbieter.

Nach der IBC, wo die Akamai Intelligent Platform im Fokus der Präsentationen stand, wurden drei Erweiterungen vorgestellt. Zu den „Cloudlets“ zählt etwa der Edge Redirector, der bereits von der Fluggesellschaft EL AL Israel Airlines Ltd. eingesetzt wird, um 5.000 Adressenumleitungen (Redirects) für Suchmaschinen zu optimieren. Mit zahlreichen Erweiterungen will auch Amazon Web Services Geschäftskunden ködern. Branchenbeobachter rechnen damit, dass AWS bei dieser Expansion nicht nur zu anderen CDN in Konkurrenz tritt, sondern auch auf Kollisionskurs mit Microsoft steuert: Windows Azure oder Googles Compute Engine zielen schließlich ebenfalls auf Infrastructure as a Service (IaaS) ab und sollen angeblich massiv ausgebaut werden. Der Wettbewerb, da sind sich viele einig, sorgt dabei auch für sinkende Preise.

Zugleich eröffnen sich neue Chancen durch Partnerschaften: Wie bereits berichtet hat Imagine auf der IBC eine Kooperation mit Microsoft bekannt gegeben, um die nächste Zenium-Generation für Azure vorzubereiten. Das IBM-Tochterunternehmen Aspera wiederum hat sich mit EVS und Elemental verbündet, um HD-Streams aus der Cloud zu ermöglichen. Die Live-Videos sind vor allem für Sportfans in aller Welt attraktiv: Bei der FIFA Fußballweltmeisterschaft sahen sich 24 Millionen Unique User insgesamt 15 Millionen Stunden Sportvideos an. Dieser neue Fußball-Rekord war auch dadurch möglich, dass von jeder Begegnung 243 Streams ausgeliefert wurden. Ohne Lösungen wie Asperas FASP High-Speed Transfer Software wäre es niemals möglich gewesen, diese Masse an Daten in Echtzeit von Kontinent zu Kontinent zu übertragen.

Michael Stadik

MB 7/2014

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