TV muss Events live zeigen

Seit eineinhalb Jahren leitet der 46-jährige Oliver Fuchs die Hauptredaktion ‘Show‘ beim ZDF, die zum Jahresende den TV-Klassiker „Wetten, dass…?“ einstellt. Grund: Zu teuer bei zu wenig Resonanz. Kommen Live-Produktionen beim Publikum heute überhaupt noch an? Oder fallen sie in Zeiten der fortschreitenden Diversifizierung der Medien immer öfter dem Rotstift zum Opfer? Im Gespräch mit MeBuLive entpuppt sich Fuchs als großer Verfechter des Live-Fernsehens. er plädiert für die Eventisierung und Unmittelbarkeit von Live-produktionen. mehr Experimentierfreude bei neuen Formaten, so Fuchs, sei besser als auf das Recycling von Show-Klassikern zu setzen.

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TV muss Events live zeigen

Warum gibt es im Fernsehen, abgesehen von Übertragungen von Fußball oder Großereignissen wie dem „Eurovision Song Contest“, aktuell so wenige Live-Produktionen?

Oliver Fuchs: Am Ende sind es natürlich häufig Kostenfragen. Live ist ja nicht per se wegen der Technik viel teuerer, sondern es sind die Synergien, die bei Blockproduktionen gezielt entstehen, indem etwa zwei Sendungen am Tag oder direkt hintereinander aufgezeichnet werden. Das Studio steht, das Personal ist da, das spart bei Aufzeichnungen unterm Strich Kosten gegenüber Live-Produktionen. Gerade zeichnen wir den „Quiz-Champion“ auf, den wir „en suite“ an zwei Tagen produzieren, dann kommt das Ganze in den Schnitt und wird ausgestrahlt. Solche Synergien sind bei Liveproduktionen obsolet.

Kann man grob sagen, um wie viel teuerer eine Live-Sendung, bei der ja die gesamte Postproduktion wegfällt, im Vergleich zu einer Aufzeichnung ist?

Es ist schwierig, das generell ohne konkretes Projekt zu beziffern. Aber nehmen wir an, wir produzieren eine wöchentliche Quizsendung. Bei einer Live-Produktion muss ich das Studio eine Woche vorhalten und dann nach der Sendung wieder. Im Vergleich zu einer aufgezeichneten Quizsendung, bei der ich diese Bereithaltungskosten nicht habe und bei Personal und Produktion Synergien nutzen kann, fallen die Produktionskosten circa um die Hälfte geringer aus. Die höheren Kosten sind dabei weniger den Personalkosten geschuldet, als vielmehr der bereitgestellten Technik. Man benötigt hie und da redundante Systeme, indem man zum Beispiel einen zweiten Beamer, ein zweites Lichtpult braucht, falls das andere ausfällt und das über mehrere Tage.

Wie hoch ist der Anteil der Live-Formate am Gesamtprogramm?

In der klassischen TV-Unterhaltung, wir reden hier von Shows, Comedy und Factual-Formaten, findet in der Regel vormittags und nachmittags nichts live statt. Wenn wir von Live-Formaten sprechen, dann betrifft dies die Primetime und die Late-Primetime. Zum Beispiel unsere Kabarett-Formate „Die Anstalt“ oder „Pelzig“ sind live, „Die heute-Show“ ist „live on tape“, die wird wochenaktuell zwei Stunden vor der Ausstrahlung aufgezeichnet. Ich schätze, dass beim ZDF ab der Primetime ein Drittel der Unterhaltungsformate live und zwei Drittel „on tape“ produziert werden.

Welche Vor- und Nachteile bieten Live-Produktionen?

Aus rein inhaltlicher Sicht bin ich ein großer Verfechter von Live-Produktionen. Ich denke, die Unmittelbarkeit und die Gefühlswelt, die durch eine Live-Produktion sowohl aus inhaltlicher Sicht, als auch von der Moderation her für die TV-Zuschauer entstehen, lassen sich durch eine Aufzeichnung nicht gleichwertig erreichen. Für eine Live-Sendung sprechen deshalb vor allem inhaltliche Gründe, die darüber hinaus auch eine Form der Interaktivität ermöglichen. Sei es die Abstimmung zum Wettkönig bei „Wetten, dass…?“ oder direkte Publikumsabstimmungen bei Award-Shows, hier kann der Zuschauer direkt interagieren. Der Nachteil von Live-Produktionen sind die tendenziell längeren Vorbereitungszeiten, da alles am Abend der Live-Sendung hundertprozentig sitzen muss. Die Probentage müssen hier viel intensiver sein als bei einer Aufzeichnung, und die Inhalte müssen noch genauer abgesprochen werden. Unterm Strich sind das aber alles Kostenfragen und natürlich gibt es Inhalte, die kann ich einfach nicht live produzieren. Gerade wenn es gelingt, Events herzustellen, bei denen der Zuschauer merkt, dass sie nur einmalig an diesem Tag so stattfinden, erhöht die Live-Produktion den Reiz noch zusätzlich.

Gehören große Live-Shows wie „Wetten, dass…?“, „Willkommen bei Carmen Nebel“ oder „Verstehen Sie Spaß?“ zu einem aussterbenden Genre?

Ich glaube nicht, eher im Gegenteil. In einer idealen Welt ist es doch so, dass Live-Produktionen mit ihrer Unmittelbarkeit und ihrem Eventcharakter zunehmen müssten. Inhaltlich sind Events, wie das Beispiel „Deutschlands größte Grillshow“ gezeigt hat, adäquate Erzählmittel. Wenn man über die große Show spricht, glaube ich schon, dass die Live-Produktion ein essentielles Element ist. Nach dem letztjährigen Erfolg findet auch dieses Jahr wieder eine Grill-Show mit Johann Lafer statt, diesmal sogar koproduziert von ORF und SRF, die neben innovativen Web-Livestreams auch Liveschalten nach Österreich und in die Schweiz enthalten wird.

Warum hat es „Wetten, dass…?“ nicht mehr geschafft, ein Fernseh-Event für die Zuschauer zu sein und verschwindet am 13. Dezember nach 33 Jahren und 215 Folgen vom Bildschirm?

„Wetten dass..?“ ist nach wie vor mit zuletzt sieben Millionen Zuschauern die erfolgreichste Prime-Time-Show Deutschlands. Wir haben uns die Entscheidung für die Beendigung nicht leicht gemacht und haben im Haus intensiv diskutiert. „Wetten, dass… ?“ war formatbedingt und aus der Historie heraus eine große Show, dennoch darf man auch die Zahlen nicht ganz außen vor lassen und muss sich überlegen, in welchem Verhältnis steht die Zuschauerakzeptanz zu den Produktionskosten. Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass es immer einen Platz für die große Fernsehshow geben wird.

War es kein Thema, die hohen Produktionskosten bei „Wetten, dass…?“ herunterzufahren?

Gerade bei „Wetten, dass…?“ glaube ich nicht, dass dies möglich gewesen wäre. Der Zuschauer erwartet eine gewisse Größe und Üppigkeit, eine hochwertige Ausführung und ein elegantes „Look and Feel“, die charakteristisch für diese High-Budget-Show waren. Dieses Niveau kann man nicht einfach wieder zurückfahren.

Was bedeutet es für die TV-Produktionsbranche, wenn ein Show-Riese wie „Wetten, dass…?“ nun eingestellt wird?

„Wetten, dass…?“ war eine ZDF-Eigenproduktion, an der pro Folge rund 200 Personen beteiligt waren. Das heißt, für die freie Produktionsbranche dürfte das Aus für die Show keine gravierenden negativen Konsequenzen haben. Darüber hinaus arbeiten freie Regisseure, Kameraleute, Lichttechniker oder die für das Bühnenbild verantwortlichen Kollegen für andere Sender und andere Produktionen, so dass die sechs oder sieben weggefallenen „Wetten, dass…?“-Termine pro Jahr zwar sicher zu einem gewissen Einschnitt führen könnten, aber es gibt deutschlandweit viele aktuelle Produktionen.

War die gestrichene Mallorca-Sendung von „Wetten, dass…?“ in diesem Jahr schon ein Indiz für das Aus?

Es sind immer verschiedene Überlegungen, die dazu führen, ob man etwas macht oder nicht macht. Wir haben uns letztendlich dieses Jahr aus zwei Gründen gegen Mallorca entschieden: Zum einen auf Grund der Entscheidung, Ende des Jahres mit der Sendung aufzuhören. Zum anderen war die letzte Mallorca-Sendung mit Markus Lanz kein Highlight gewesen, weshalb wir dies nicht unbedingt noch einmal wiederholen wollten.

Welche Produktionsanforderungen stellen Sie an ein neues LiveFormat, dass eine Show wie „Wetten, dass…?“ ersetzen soll?

Ich weiß nicht, ob alle Formate, die wir im nächsten Jahr auf diesem und anderen Sendeplätzen probieren werden, unbedingt Live-Formate sein müssen. Die „Helene-Fischer-Show“ am ersten Weihnachtsfeiertag, für die wir gerade den österreichischen Fernsehpreis „Romy“ bekommen haben, ist eine Aufzeichnung, da die Show für nur eine Protagonistin live zu aufwändig ist. Wir werden mit Johannes Kerner „Deutschlands beste Frauen“ und „Deutschlands beste Männer“ produzieren, die beide live ausgestrahlt werden. Sie sehen, es können auch Mischformate sein. Unabhängig davon, wie „Wetten, dass…?“ produziert wurde, wird das keinen Einfluss darauf haben, für welche neuen Formate wir uns im nächsten Jahr inhaltlich entscheiden. Seit mehreren Jahren wird der Samstag auch fiktional bestückt, das ZDF hat erfolgreich neue Krimireihen ausprobiert. Das heißt, nicht alle Samstage werden 2015 im ZDF Shows oder gar Live-Produktionen sein.

Im Jahr 2013 haben Sie rund 500 Konzepte und neue Formatideen geprüft. Gibt es schon konkrete Resultate, nachdem Sie mit „Die große Überraschungsshow“ mit Michelle Hunziker eher auf Recycling setzten? Sie sind ja auch deshalb zum ZDF – gekommen, weil sie das Publikum verjüngen sollen.

Auch das noch, neben manch anderen Aufgaben (lacht). Für dieses Jahr sind wir noch ausreichend bestückt, auch „Wetten, dass…?“ läuft ja noch bis Ende des Jahres. Wir werden mit Hape Kerkeling eine Show zu seinem 50. Geburtstag machen, mit Udo Jürgens seinen 80. Geburtstag im ZDF feiern, wobei beide Sendungen aufgezeichnet sind. „Willkommen bei Carmen Nebel“ und die große Silvesterfeier vom Brandenburger Tor werden dagegen live gesendet. In der Late-Primetime wird das Live-Kabarettformat „Die Anstalt“ fortgesetzt, mit Urban Priol arbeiten wir an einem neuen Live-Format, auch die Talkshow „Markus Lanz“ ist manchmal live, je nachdem, zu welcher Sendezeit  sie ausgestrahlt wird, denn nachts um 0 Uhr noch eine Live-Sendung zu produzieren, wäre übertrieben. Ich glaube, dass neben der Ausweitung der Kabarett- und Comedy-Farben tendenziell Infotainment-Formate und Musik mit Varieté ein fester Bestandteil im ZDF-Unterhaltungsprogramm sein werden. So starten wir neben „Rach tischt auf“ auch die Wissenschaftscomedy „Kühe haben beste Freunde“ oder die Verbrauchercomedy „Ohne Garantie“.

Werden Sie, dem Beispiel von Sendern wie RTL folgend, Piloten von neuen Produktionsideen „on air“ testen mit der Option, dass sie in Serie gehen oder gleich wieder in der Versenkung verschwinden?

Ja, wir müssen natürlich auch viel ausprobieren und „on air“ testen. Wir fangen damit schon im Herbst an, wir wissen natürlich schon, was wir machen, das kann ich aber an dieser Stelle leider noch nicht verraten. Aus meiner Erfahrung wird eines von zehn Formaten seinen Weg machen.

Werden Sie sich beim ZDF auch Formaten öffnen, die man bisher eher vom Privatfernsehen kannte? Schließlich haben Sie ja dort schon erfolgreich Formate wie „Der große IQ-Test“, „Rach, der Restauranttester“ oder „Schwiegertochter gesucht“ produziert.

Ja, die Öffnung findet in vielerlei Hinsicht statt: Erstens sehen wir uns beim ZDF vermehrt auch nach internationalen Formaten um. Das ZDF hat bisher wenig Formatfernsehen gemacht, so dass die großen Formate oft an uns vorbeigezogen sind. Ich glaube schon, dass internationales Formatfernsehen mit einer klaren Haltung auch für uns spannend ist. Nichtsdestotrotz treiben wir auch die klassischen Eigenentwicklungen mit der gleichen Verve voran. Man muss als Vollprogramm auf verschiedenen Beinen stehen: Dazu gehört nicht nur das Testen neuer Produktionen, sondern auch der Kauf internationaler Formate, die klassischen Eigenentwicklungen, die strategische Koproduktionsentwicklung mit internationalen Partnern, aber gleichzeitig auch mit den deutschsprachigen Nachbarn ORF und SRF. Derzeit arbeiten wir mit der BBC, mit französischen, schwedischen und israelischen Partner bei einer internationalen Showentwicklung zusammen.

Hinkt Deutschland bei neuen Produktionsentwicklungen auch deshalb hinterher, da es beim Formatschutz eine rechtliche Grauzone gibt?

Juristisch gesehen ist der Formatschutz in Deutschland urheberrechtlich nicht gegeben, auch wenn der Formatschutz in anderen Länder wie in Großbritannien besser entwickelt ist, vielfach auch über das Wettbewerbsrecht. Dennoch haben sich Format-Marken etabliert, so handelt unsere kommerzielle Tochterfirma ZDF-Enterprises mit Formaten. Hierzulande haben wir uns im letzten Jahr über die Eckpunktevereinbarung mit der Produzentenallianz nicht nur über eine Produzentbindung, sondern auch über den Vertrieb von sogenannten Formaten geeinigt.

Wenn man die aktuellen Probleme beim „Quizduell“ sieht – in welchem Verhältnis stehen hier Aufwand und Nutzen der Interaktivität?

Ich finde es richtig und mutig, dass die Kollegen von der ARD ein solches Format mit einer Smartphone-App ausprobieren. Es ist im deutschen Fernsehen der erste Versuch, eine bekannte App mit mehreren Millionen Downloads und Usern für ein TV-Format zu nutzen und damit eine Interaktivität zu generieren. Der Mehraufwand ist natürlich vor allem produktionell sowie für den Moderator gegeben, der täglich im Studio erscheinen muss. Verallgemeinern lässt sich schwer, wie viel Nutzen die Interaktivität oder die Integration der Social Media einem Fernsehformat wirklich bringen. Am Ende geht es immer darum, Spannung und ein gutes Gefühl beim Zuschauer zu erzeugen, aber nicht nur etwas Überraschendes zu bieten, sondern auch eine gute Geschichte zu erzählen. Die Interaktivität ist aber nicht für den Erfolg oder Misserfolg eines TV-Formats verantwortlich, sie ist nur ein mögliches Element.

Ende geht es immer darum, Spannung und ein gutes Gefühl beim Zuschauer zu erzeugen, aber nicht nur etwas Überraschendes zu bieten, sondern auch eine gute Geschichte zu erzählen. Die Interaktivität ist aber nicht für den Erfolg oder Misserfolg eines TV-Formats verantwortlich, sie ist nur ein mögliches Element.

Sind für interaktive Formate neue technische Dienstleister erforderlich, die Sie noch erschließen müssen?

Ja, es gibt zwar neue Formate wie „Rising Star“ bei RTL, bei denen es gerade versucht wird, die Technik zu bändigen. Wir hätten gerne ein interaktives Showformat, aber wir arbeiten jetzt nicht explizit an einer Sendung, in der wir Interaktivität als USP vorschreiben. Wenn es sich aus der Geschichte, der Dramaturgie oder der Notwendigkeit des Inhalts heraus ergibt, kann die direkte Interaktion natürlich immer ein adäquates Stilmittel sein, aber es ist keine unabdingbare Voraussetzung.

Sind Live-Sendungen überhaupt noch finanzierbar oder sind alternative Finanzierungsmöglichkeiten erforderlich? ProSieben sendet die „WOK-WM“ ja als Dauerwerbesendung?

Werbung und Sponsoring in der Form bleiben uns verschlossen. Bei uns ist der jährliche Etat im Haushaltsplan vorgeschrieben und wir gestalten die Show- und Unterhaltungsformate mit der zur Verfügung gestellten Summe. Die wichtige Frage ist, worauf legen wir den Fokus, wo produzieren wir live, wie investieren wir sinnvoll über alle Genres?

Wirkt sich das veränderte Nutzungsverhalten mit Social Media, zeitversetztem TV und Interaktivität auf Live-Formate aus?

Hierzu gibt es klare Untersuchungen in Deutschland. Im vergangenen Jahr 2013 hatten wir einen sich stabilisierenden Fernsehkonsum von 242 Minuten am Tag. Das heißt, trotz der Möglichkeiten des zeitversetzten Fernsehens, neuer Streaming-Dienste oder anderer Vergnügungen wie der iPad- oder Spielkonsolen-Nutzung ist die lineare Fernsehnutzung immer noch sehr hoch. Bisher sind wir also von den Veränderungen noch nicht abhängig gewesen. Nichtsdestotrotz ist abzusehen, dass sich das Nutzungsverhalten durch die vielfältigen Möglichkeiten, die gerade entstehen, rasant verändern wird. Ab dem nächsten Jahr sollen auch die kombinierten Nutzerzahlen erhoben werden, so dass zwischen originärer Fernsehnutzung und zeitversetzter TV-Nutzung unterschieden werden kann. Bei der ZDF-Mediathek haben die Abrufvideos und die Livestreams aller Sendungen ein Plus von 16 Prozent erreicht, in Zahlen waren es 36 Millionen Klicks. Die größten Abrufzahlen haben wir dabei bei Unterhaltungsformaten zu verzeichnen, allen voran bei „Wetten, dass…?“, der „heute-Show“ oder der „Anstalt“. Die „heute-Show“ vom letzten Freitag hatte 3,3 Millionen Zuschauer und bis zu einer halben Million Abrufe im Netz. Das bedeutet, circa ein Sechstel der Zuschauer schauen sich die Sendung schon im Netz an. Insofern sind die Abrufzahlen ein wichtiger Faktor für ein zeitgemäßes Unterhaltungsformat.

Bietet das Internet auch Randsportarten, neben König „Fußball“, die Chance zu Live-Übertragungen?

Ich sage es mal so: Im Prinzip kann man heutzutage alles, was vermarket wird, ob es nun Sport ist oder ob es sich um Unterhaltungsformate handelt, via Internet streamen. Der Zuschauer kann sich auf unterschiedlichsten Plattformen unterhalten lassen. Die Diversifizierung der Medien ermöglicht es dem Zuschauer, dass er online oder linear zu jedem Zeitpunkt überall das sehen kann, was er möchte. Selbst beim linearen Fernsehen hatte vor 15 Jahren ein durchschnittlicher Haushalt 37 deutschsprachige Fernsehsender zur Auswahl, heute sind es 78. Das heißt, innerhalb von 15 Jahren hat sich das Angebot verdoppelt. Insofern ist Internet heutzutage ein Ausspielweg und in Zukunft der Ausspielweg.

Spricht das nicht genau gegen massentaugliche Unterhaltungsshows und für Special-Interest-Produktionen?

Richtig. Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass das Live-Eventfernsehen ein wichtiges Element ist. Wenn ich eine große, relevante Show machen möchte, sind der unmittelbare Livecharakter und die Eventisierung des Fernsehens essentieller denn je. Sowohl Übertragungen von Fußballspielen, als auch von großen Live-Shows haben den Nimbus des Events. Die Livesendung findet eben nur zu diesem Zeitpunkt statt und wenn ich sie zeitversetzt rezipiere, ist der Spannungseffekt nicht mehr der gleiche. Das heißt im Umkehrschluss: Fernsehen muss Events live zeigen und selbst kreieren.

Letzte Frage: Sie sehen Fernsehen als Spiegel der Gesellschaft. Warum haben es dann Showtreppe und High-Budget-Produktionen so schwer? Will der Zuschauer nicht qualitativ hochwertig unterhalten werden?

High Budget und Showtreppe implizieren nicht Qualität. Eine Gesellschaft, die geprägt ist durch die Digitalisierung der Medien, die die Schnelligkeit und die Möglichkeit des Abrufens von Unterhaltung zu jeder Zeit gewohnt ist, erwartet nicht die alten Unterhaltungsmuster. Die Unterhaltung ist eben nur einen Klick entfernt. Deshalb müssen wir uns auch in der Machart Gedanken machen, wie wir mit Unterhaltungsproduktionen zeitgemäßer und eindeutiger werden. Auch Show-Klassiker wie „Dalli Dalli“ wieder auszugraben, kann nur eine Notlösung sein, die ich fürs ZDF nicht will.

Wolfgang Scheidt

MB 4/2014