Technisch ganz weit vorne

Sky Deutschland ist hierzulande einer der wichtigsten Impulsgeber für innovative Technologien im Bereich der Live-Produktion. Besonders in Sachen 4k-Produktion spielt der Pay-TV-Sender eine führende Rolle. MeBuLive sprach mit Alessandro Reitano, Direktor Sportproduktion bei Sky Deutschland, über die Entwicklungen auf diesem Gebiet und die Zukunftspläne des Senders.

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Technisch ganz weit vorne

Wenn heute neue Technologien in der Live-Produktion ausprobiert werden, dann ist meist Sky Deutschland beteiligt. Das war so bei den ersten 3D-Produktionen ebenso wie heute bei den ersten 4k-Tests in den Fußballstadien. Auch andere Innovationen hat der Unterföhringer Pay-TV-Anbieter zu bieten. Dazu gehört das im August 2013 eingeführte sogenannte Player Tracking, mit dem das Live-Bild mit Echtzeit-Grafiken kombiniert werden kann. Möglich wurde das nachdem die Bietergemeinschaft Opta Sport Daten AG und Hego Trac AB im Januar 2013 vom Deutschen Fußball Bund (DFB) die Lizenz zur Erhebung und zur Vermarktung aller Spieldaten in der Fußballbundesliga bis zum Ende der Saison 2016/17 gewinnen konnte. Hego Trac gehört zum Grafiksystem-Anbieter ChyronHego mit dem Sky das eingesetzte Player-Tracking-System entwickelt hat. „Player Tracking von ChyronHego gibt es in Deutschland exklusiv nur bei uns. Jedes Bundesligastadion wurde mit unserem System ausgestattet, sodass die nötigen Daten dann auch bei jedem Bundesligaspiel vorliegen und von uns genutzt werden können. Jedes System besteht aus drei, an einem Würfel montierten Kameras oberhalb der Tribüne und erfasst das gesamte Spielfeld“, erklärt Alessandro Reitano, Direktor Sportproduktion bei Sky Deutschland.

Sky bekommt die Tracking-Daten in Echtzeit über ein Opta-Sport-Interface in den Ü-Wagen zu den Rechnern von HegoChyron mit dem Player-Tracking-Modul geliefert. Angezeigt werden die jeweiligen Positionen der Spieler auf dem Feld. Mit den Live-Grafik-Systemen lassen sich Laufwege messen und analysieren und darüber hinaus Geschwindigkeit, Laufleistung, Ballkontakte oder Rauten-Formationen der Spieler grafisch darstellen – im Live-Bild und in den Slomos. Reitano: „Das bietet unseren Zuschauern einen echten Mehrwert. Sie erwarten von uns Innovationen und sind dankbar für Zusatzangebote. Wenn wir neue Technologien als erste einsetzen und Dinge implementieren, die andere Sender nicht haben, trägt das zur Kundenzufriedenheit bei. Unser Grafikauftritt ist für uns deshalb ein wichtiges Differenzierungsmerkmal. Hinzu kommt, dass taktische Informationen beim Fußballspiel heute viel stärker gefragt sind als das früher der Fall war. Bei unseren Fußball-Liveübertragungen beleuchten wir deshalb intensiv die taktische Seite des Spiels. Mit Lothar Matthäus beim Bundesliga-Topspiel oder mit Eric Meyer bei Champions League Spielen liefern wir permanent Erklärungen dazu.

Der Zuschauer kennt und erwartet das von uns. Hier bietet das Player Tracking viele Möglichkeiten – und das live und nicht nur in der Halbzeitanalyse. Wir können damit jederzeit Echtzeitdaten visualisieren.“ Eine weitere technische Innovation bei Sky ist das Augmented Reality-System NCAM, das zu Testzwecken beim Bundesligaspiel Leverkusen gegen Dortmund am 26. April 2014 eingesetzt wurde. NCAM ist ein livefähiges Kamera-Tracking-System, mit dem sich virtuelle 3D-Darstellungen in die Live-TV-Übertragung einbinden lassen. „Das hat so gut geklappt, dass wir mit dem System gleich on air gegangen sind und künftig bei allen Topspielen in der Bundesliga einsetzen“, sagt Reitano. Das System wurde hierzlande bislang nur von Sky-Dienstleister TopVision zum Einsatz gebracht. ARD/ZDF nutzten es allerdings auch bei der FIFA WM 2014. Es besteht aus zwei Kameras zur Lieferung der Positionsdaten, kalibrierten Optiken zur Weitergabe der Daten und dem Echtzeit-Rendering-System Viz Engine von VIZRT. Ganz problemlos war der NCAM-Start laut Reitano indes nicht. Wegen fehlender Glasfaseranbindung und der damit einhergehenden Latenzprobleme durfte der Server für NCAM keine zwei Meter von der Viz Engine weg stehen und die Zuführung der Daten nicht mehr als 50 Meter betragen. Es war damit nicht möglich, die Operatoren von NCAM und Viz im Ü-Wagen zu platzieren. Beim Spiel Dortmund-Leverkusen hatte Sky deshalb ein kleines Zelt am Spielfeldrand aufgebaut, in dem der Server stand. Reitano: „Aber jetzt ist die Kalibrierung in Echtzeit möglich, Breakout-Box-Umsetzung auf Glas ist gegeben ebenso wie die einzelnen Interfaces zur Viz Engine, so dass wir heute keine Probleme mehr haben mit der Distanz und die Daten ohne Latenz übertragen können.“

Grafikelemente und Virtualität dienen Sky vor allem dazu, um sich von anderen Programmanbietern abzusetzen. Reitano: „Wir differenzieren uns im Programm durch die Vorberichterstattung und Analyse in den Halbzeiten zu der eben auch grafische Elemente gehören. 90 Minuten Spiel kann man in der Bildführung ansonsten wohl kaum revolutionieren. Sportcast liefert ein Basissignal mit einem guten bis sehr guten Standard. Was wir transportieren können sind Emotionen, die das Basissignal liegen lässt. Es ist aber immer auch eine Gratwanderung, hier Akzente zu setzen. Mit Analysesystemen hingegen kann man Dinge zaubern, die findet man dann eben nur bei uns. Auch NCAM ist ein System mit dem wir uns gut differenzieren können. Es zeigt auch, welche Möglichkeiten die Virtualität bietet. Wir können damit das ganze ‚Look and Feel’ nochmal viel hochwertiger gestalten.“ Sky Deutschland prüfe derzeit, ob das NCAM-System nicht nur in Kombination mit der Steadycam sondern auch mit anderen Kamerasystemen wie Spidercam oder Highspeed-Kameras genutzt werden könne. In der kommenden Bundesliga-Saison werde das System immer beim Top-Spiel und bei exklusiven Spielen in der Champions League eingesetzt. Bei allen technischen Innovationen arbeitet Sky Deutschland gerne mit dem Berliner Produktionsdienstleister TopVision zusammen. „Das ist unser bevorzugter Partner auch bei den Hostbroadcastings. Und bei der Bundesliga hat sich das so ergeben, dass TopVision das Top-Spiel produziert beziehungsweise deren Ü-Wagen dort eingesetzt werden. Das ist für uns der richtige Partner, um neue Technologien auch mit einer gewissen Schnelligkeit umzusetzen. Wir wissen, dass wir mit Achim Jendges (Inhaber von TopVision, Anm. d. Red.) jemanden haben, der sehr innovationsfreudig ist. Er kennt zudem unser Programm und unsere Bedürfnisse ausgezeichnet, ebenso wie alle Probleme, die in einer Produktionskette auftauchen können“, berichtet Reitano. „So ein System wie NCAM kommt aus der Filmwelt und muss für eine klassische Live-Sportumgebung implementiert werden, bei der 90 Minuten lang alles glatt laufen muss. Da brauchen wir einen Partner, der versteht, wie man etwas sendesicher machen kann. Und er muss wissen, wie wir ticken. Wir haben eben nicht vier Monate Zeit, um Dinge zu testen. Wir testen sie vielmehr ein oder zwei Mal oder bringen sie sogar gleich on air. Das hat mit der Schnelligkeit zu tun, wie wir Dinge umsetzen wollen. TopVison ist für uns dabei ein verlässlichen Partner, dem wir vertrauen.“

Enge Kooperation mit TopVision

Auch im Bereich der 4k-Produktion ist Sky Deutschland gemeinsam mit TopVision ein wichtiger Treiber. Zuletzt wurde das Champions-League-Spiel Bayern München gegen Real Madrid und das DFB-Pokalfinale (Bayern München gegen Borussia Dortmund) in Berlin zu Testzwecken komplett in 4k produziert. Bei beiden Spielen wurden sechs Kameras vom Typ Sony F55 eingesetzt. Getestet wurden sie bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen und mit verschiedenen Objektiven. „Ausprobiert haben wir auch einen 4k-Superzoom“, sagt Reitano. Dieses Thema sei weiterhin sehr wichtig. Jedoch sei die Technik noch nicht so weit, um qualitativ hochwertige 4k-Bilder im Zoom-Bereich zu generieren. Hier würden sehr schnell die Limitierungen in Form von Unschärfen deutlich. „Wir müssen da noch weiter experimentieren, zumal sich auch die Technik jetzt Schritt für Schritt verbessert“, meinte Reitano. Er sei zuversichtlich, dass auch Zoom-Bilder bei 4k schon bald gestochen scharf generiert werden könnten. Der Direktor Sportproduktion bei Sky Deutschland möchte den ganzen 4k-Hype kontinuierlich nutzen, um auch das HD-Signal aufzuwerten. „Möglich sind bei 4k-Bildern Cut-outs, Picture Stitching oder das Extrahieren von Szenen. Reitano: „Hier müssen wir aber noch viel experimentieren. Das ist Pionierarbeit.“ Ein weiteres Problem würden die hohen Datenraten bei der 4k-Aufzeichnung und Übertragung darstellen. „RAW-Daten existieren in großen Mengen. Wir können nicht alle speichern und müssen daher wieder komprimieren und encodieren“, erklärt Reitano. Auch das wurde schon getestet. Beim Champions League-Spiel in München kam Encoder-Technik von Elemental und DVC Rohde [&] Schwarz zum Einsatz.

„Wir haben mit acht Bit Farbtiefe getestet. Das werden wir ändern und jetzt mit zehn Bit arbeiten. Zudem haben wir mit den Bandbreiten gespielt – mit 25 Mbit/s und 30 Mbit/s. Bei 25 Mbit/s mit acht Bit sah das Bild auf den ersten Blick wirklich gut aus. Wenn man daneben allerdings ein 4k-Bild unkomprimiert aus dem Ü-Wagen anschaut, da findet man dann das HEVC-kodierte Material nicht mehr ganz so toll. Wir müssen es deshalb schaffen, die Qualität des unkomprimierten 4k-Signals in der Bild- und Farbtiefe auf den HEVC-kodierten Standard zu bringen“, meint Reitano. Dazu müsse der Codec weiter verbessert werden. Der Sky-Manager weist darauf hin, dass man bei 4k ein Signal mit einer Bandbreite von unkomprimiert 12 Gbit/s vom Stadion zum Ü-Wagen bringen muss. Bei klassischen HD-Produktionen seien dies gerade einmal 1,5 Gbit/s. „Da kommt also ein Datenwust in vier Quadranten angerauscht, der dann noch zusammengefügt und auf 25 Mbit/s kodiert werden muss. Und das sieht immer noch gut aus. Wenn sich jetzt noch die Chiphersteller weiter entwickeln und die technischen Parameter besser anpassen, dann sind wir in der 4k-Produktion schon richtig weit“, betont Reitano. „Wir müssen uns auch überlegen, ob wir diese großen Datenmengen unbedingt so aus dem Stadion schaffen müssen, oder ob es da nicht irgendeine Form gibt, Stichwort JPEG 2000, dass wir sie schon komprimierter bekommen, damit unsere Dienstleister bei all den Investitionen, die sonst nötig sind, nicht stöhnen.“ Reitano weiter: „Wir müssen alle überzeugen, jetzt in ein Produkt zu investieren, das noch nicht existiert. Aber es müssen jetzt schon die Infrastrukturmaßnahmen dafür getroffen werden. Jeder ist dankbar, wenn wir sagen, zwölf Gbit/s Bandbreite müssen es nicht sein es reichen vielleicht sechs.“ Sky Deutschland sieht sich bei seinem 4k-Engagement von Seiten der Gerätehersteller gut unterstützt. „Wir sind schließlich auch diejenigen, die das Thema puschen. Das hat man auch auf der NAB 2014 gemerkt.

Alle Hersteller, und das macht uns auch ein Stück weit stolz, sind froh, dass sie uns haben. Und wir selbst machen bei 4k überall Tempo, wo wir eine Chance sehen“, sagt Reitano. Beim Spiel Bayern gegen Dortmund wurden sechs F55 Broadcast-Kameras von Sony eingesetzt. TopVision hatte seinen Sony Mischer im Ü-Wagen dazu upgegraded und von VIZRT die weltweit einzige 4k- Grafik-Maschine an Bord. „Die kam direkt aus dem Labor zu uns“, sagt Reitano. Auch die Arbeit mit den XT3-Maschinen von EVS habe bei der 4k-Produktion gut funktioniert. „Ich war wirklich sehr überrascht wie reibungslos alles lief. Das war wieder der Arbeit von TopVision zu verdanken, weil sie schon eine Woche im Vorfeld jedes Kamerakabel entsprechend ausprobiert hatten. Selbst die Aufbauzeit war analog zu der einer HD-Produktion. Auch die Kameraleute haben einen guten Job gemacht und waren vom Regisseur bestens gebrieft. Sie hatten vorher noch einen Workshop in München. Ich habe kein unscharfes Bild gesehen“, berichtet Reitano.

Er setzt darauf, dass Zukunft bei allen Live-Sportproduktionen 4k das Hauptausgangsignal ist und alles andere dem untergeordnet ist. Daraus generiere ich dann das HD- und SD-Signal oder den Transportstream fürs Internet, damit wir künftig nur noch ein Setup haben und nicht ein Parallel-Setup wie in der 3D-Produktion. So etwas ist wirtschaftlich betrachtet einfach nicht mehr tragbar“, betont Reitano. Und er verrät auch: „Wir bei Sky überspringen im Moment 1080p und setzen auf 4k. Wir nehmen umgehend die nächste Qualitätsstufe. 3D wird dann obsolet. Bei 4k braucht man es nicht mehr. Man hat dann eine gesunde Tiefenschärfe, die 3D durchaus ersetzen kann.“

Und was hat Sky in Sachen Technik-Innovationen sonst noch vor? Reitano berichtet: „Wir überlegen gemeinsam mit ChyronHego, was wir beim Player Tracking noch besser machen können, wie wir die vorhandenen Daten effizienter ausschlachten können. Bei NCAM wollen wir die Virtualität kultivieren. Wir werden auch nicht müde, neue Kamerasysteme zu suchen, die uns weitere Vorteile schaffen. Um eine stärkere Differenzierung zu klassischen TV-Signalen voran zu treiben, schauen wir, dass wir neue Kamera-Positionen besetzen können. Hier müssen wir noch mit den Ligen sprechen. Auch Superzoom bei 4k ist weiterhin aktuell. Da arbeiten wir im Moment mit EVS zusammen. Aber es gibt hier durchaus auch andere interessante Systeme wie der Dreamcatcher von Evertz, die wir uns auf der IBC 2014 noch mal genau anschauen werden. Des Weiteren sind für uns auch Fluggeräte für Live-Aufnahmen interessant. Mit Luftaufnahmen können wir neue Akzente setzen. Probleme bereiten hier leider oft die Überfluggenehmigungen.“

Eckhard Eckstein

MB 4/2014

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